Albanien ist ein Paradies für Weinliebhaber


Mit Albanien bringt man inzwischen ja so einiges in Verbindung, jedoch nicht den professionellen Weinanbau. Doch dieser ist in Albanien kein neumodischer Trend, sondern kann auf eine lange Geschichte und Tradition zurückblicken. Die Region dürfte sogar eines der wenigen Gebiete gewesen sein, in denen die Rebe die Eiszeit überlebte. Bereits die Illyrer produzierten im 8. Jhd. v. Chr. Wein, später ebenso die Römer und Griechen. Albanien und sein Nachbar Griechenland können somit durchaus als Wiege der Weinkultur auf dem Balkan betrachtet werden.

Als die Türken kamen, war es aufgrund des Alkoholverbots für lange Zeit fast vorbei mit der Hochphase des Weinanbaus. Die Christen konnten jedoch in einigen abgelegenen Dörfern das Wissen ihrer Vorfahren retten. Aber erst nach der Unabhängigkeit verbreitete sich der Weinanbau wieder rasch, wobei 1933 die Reblaus Unmengen an Rebstöcken absterben ließ. So etwas passiert meist bei der Verwendung einer nicht genügend widerstandsfähigen Unterlagsrebe.



Während des Kommunismus begann eine neue Ära des Weinanbaus, es wurden Staatsbetriebe und Genossenschaften gegründet, in den 80er-Jahren betrug die Anbaufläche der 47 Produktionsstätten 20.000 Hektar, die Ernte ist in 23 Weinkellereien weiterverarbeitet worden. Es wurden erstmals hoch veredelte Pfropfreben gepflanzt. Exportiert hat man hauptsächlich nach Deutschland, jedoch nahm der Export aufgrund veralteter Produktionsstandards von Jahr zu Jahr ab. Nach dem Ende des Kommunismus wurden viele Plantagen zugunsten des Häuserbaus abgebrannt. Erst Ende der 90er-Jahre begannen einzelne Bauern wieder mit dem professionellen Weinanbau und inzwischen beträgt die mit Reben bepflanzte Fläche gut 12.000 Hektar mit einer Traubenproduktion von weit über 200.000 Tonnen. Aber nur ein Bruchteil davon dient der Weinproduktion. 30% werden als Tafeltrauben und Rosinen verkauft und der Hauptanteil von 50% wird für die Destillation von Raki (Schnaps) verwendet.

Um den steigenden Bedarf zu decken, werden inzwischen auch importierte Sorten angebaut, darunter Merlot, Cabernet und Pinot Noir. 85 % der albanischen Weine sind rot, nur 15% weiß, gehaltvoll sind sie beide, zwischen 12,5 und 14% Alkohol sind durchaus normal.

Mittlerweile beschränkt sich der Anbau nicht nur auf die fruchtbaren Küstenebenen und die Gebiete um Shkodër, Tirana, Berat, Lushnje, Fier und Vlorë, sondern zieht sich auch in Höhen auf bis zu 1.300 Meter. Die klimatischen Voraussetzungen sind in vielen Landesteilen ideal, und die auf der Welt sonst nicht existierenden Rebsorten sind ein Geschenk für etliche aufstrebende Weingüter.

Jedoch trinken heute die Albaner selbst Wein nur in Maßen zu gesellschaftlichen Anlässen, nur etwa 5 Liter pro Kopf und Jahr dürften es sein. Allerdings ist eine stark steigende Tendenz zu verzeichnen, seit die albanische Produktion von Qualitätsweinen wächst. Exportiert wird heute allerdings kaum, große Mengen werden hingegen importiert, um die Nachfrage in Touristenregionen zu decken. Allerdings wird zunehmend auch Champagner produziert und angeblich gar kein schlechter.


Hier ein kleiner albanischer Weinguide, wobei ein guter Wein ja bekanntlich Geschmackssache ist:


Das Weingut Çobo in der Nähe der UNESCO-Stadt Berat am Fuße des Tomorr-Berges organisiert Führungen in englischer Sprache, und zeigt den Besuchern den Prozess der Weinherstellung und erzählt interessante Anekdoten über die Ursprünge der Familiengeschichte und ihre Weine. Nach der Tour werden Besucher mit Wein, hausgemachtem Käse und Oliven verköstigt. Çobo Winery, Ura Vajgurore, Berat, +355674070562.

Kantina Kallmeti liegt unweit der Stadt Lezha, versteckt in den Hügeln. Sie wurde erst 2006 von zwei Brüdern mit ihrer Liebe zum Land und großen Leidenschaft für guten Wein gegründet. Das Weingut produziert auch Raki-Likör und Olivenöl. Das Premium-Produkt ist Kallmet-Prestige. Kantina Kallmeti, Rruga Lezhë - Vau i Dejës, Kallmet i Madh,+355682035892.

Die Kantina Arbëri befindet sich östlich von Lezha Richtung Lura-Nationalpark. Bei einer Besichtigung der landschaftlich ansprechend gelegenen Anlage kann man verschiedene Sorten der Kallmet-Traube probieren. Preisgekrönt ist der Kallmet Riserva. Kantina Arbëri, Rruga Rreshen-Kurbnesh km1, Rreshen, +355694433773.

Die Kokomani Winery zwischen Tirana und Durrës ist bekannt für die autochthone Traube Shesh, eine der besten in Albanien. Sie produziert drei hochwertige Weinsorten, bekannt als Sheshi i Zi, Sheshi i Bardhë und Shën Mhill. Kokomani Winery, Eminas i Vogël, +355694019166.

Die Uka Farm wurde 1996 vom ehemaligen Landwirtschaftsminister Rexhep Uka gegründet und ist seit 2014 ein Restaurant am Rande von Tirana. Der Chefkoch Flori Uka bereitet ausgezeichnete Gerichte aus biologischem Gemüse, lokalem Käse und Fleisch zu. Aushängeschild ist der Weißwein Ceruja, aus einer besonders alten, in den Bergen beheimateten Rebsorte. Uka Farm, Rruga Adem Jashari, Laknas, +355672039909.








Kapitel 2: Vom eigentlichen Sinn der Weintraube - Raki

Dass Albanien ein muslimisches Land ist, lässt bei so manchem Besucher im Hinblick auf den Schnapskonsum Zweifel aufkommen. Aber wenn es um das Nationalgetränk der Albaner geht, spielt die Religion nur mehr eine untergeordnete Rolle. Falsch ist auch die Annahme, dass der überall gegenwärtige Raki, die albanische Bezeichnung für Schnaps, aus der Türkei kommt. Dort handelt es sich um ein hochprozentiges Anisgebräu, hierzulande meist um feinsten Traubenschnaps - Raki rrushi. Es gibt ihn in klar oder goldgelb bis honigfarben, dann hat er einen längeren Reifeprozess im Eichenfass hinter sich.

Im Kapitel des Weines haben wir bereits erfahren, dass etwa 50% der Traubenernte der Rakiproduktion zugutekommt. Das muss auch so sein. Obwohl Albanien traditionell ein Weintrinkerland ist, sind heute Bier und Raki der Renner. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Raki pro Mann (Frauen trinken ihn eher selten oder heimlich) lässt sich nur erahnen.

 Ein Großteil der für die Produktion herangezogenen Reben stammt aus dem hauseigenen Garten und deckt große Bereiche des Eigenheimes in Form von schattigen Pergolen und Lauben ab. Da haben wir ihn wieder, den pragmatischen Albaner, der Wein erfüllt doppelten Zweck. Bei der Produktion, die in jedem Haushalt ab September anläuft und an der Qualmsäule des Destillationsgerätes im Garten zu erkennen ist, hat jede Familie natürlich ihr eigenes, sehr gut gehütetes Rezept. Dass es stets der beste Raki ist, steht außer Zweifel.

 Beträgt der Prozentsatz bei kommerzieller Herstellung meist so bei 42-45% muss man bei den privat hergestellten Destillaten schon mit einem Gehalt von mindestens 50-55% rechnen. Je höher der %-Satz, desto sinnvoller war die Weintraube. Qualitativ dürfte das soweit auch in Ordnung sein, erblindet ist noch niemand bei dem Heiltrank, der meist aus Plastikflaschen ausgeschenkt wird. Recycling auf albanisch. Unser Nachbar hat uns, nach etlichen Gläschen Raki rrushi, einmal verraten, dass er so ca. 150 Halbliterflaschen Mineralwasser wiederverwertet. Pro Jahr.

 Der Konsum zieht sich mit einer Selbstverständlichkeit durch den Tag. Ein albanisches Frühstück besteht aus einem Kaffee und einem Gläschen Raki. Mittags, nachmittags, vor dem Autofahren, in der Bar, im Restaurant, während und nach den Mahlzeiten, in den Pausen, privat, alleine, unter Freunden, Raki wird immer ausgeschenkt. Auch im Ramadan und zu religiösen Festen. Zeit für Raki ist immer.

Raki als Nationalgetränk hat in der albanischen Gesellschaft aber auch traditionellen Wert. Bei Festen und Empfang von Gästen spielt er eine wichtige Rolle und wird dann meist mit Trinksprüchen und Glückwünschen kombiniert. Wer schon einmal Gast bei einer albanischen Familie war, hat diese Rakikultur sicher hautnah miterlebt, da kommt keiner aus, auch die (Touristen-)Frau nicht. Fröhlich wird solange nachgeschenkt, bis......! Das kann manchmal ganz schön anstrengend sein.

Seltsam bei alledem, man wird nie, aber auch nie einem betrunkenen Albaner begegnen.

 Und wer nach dem feucht-fröhlichen Beisammensein wieder etwas benommen weiterzieht und eine Plastikflasche mit Inhalt mit auf den Weg bekommt, kann sicher sein, dass es sich um eine Wegzehrung in Form des hauseigenen Rakis handelt und nicht um Wasser.

 Aber Raki wird nicht nur aus Trauben (rrushi) hergestellt, auch andere Sorten sind unglaublich beliebt und sehr lecker, wenn auch nicht so weit verbreitet. Da gibt es unter anderem Pflaume (kumbull), Birne (dardha), Brombeere (manaferrë), Kornelkirsche (thanë), Walnuss (arrë), Heidelbeere (boronicë), Apfel (mollë), Honig (mjaltë), Wacholder (dëllinjë), sogar etliche Kräutersorten werden zur Schnapsherstellung verwendet, wie Salbei (sherebelë) oder Oregano (rigon). Ganz besonders gesund sein muss Raki sanzë, ein fürchterlich herb-bitteres Gebräu aus Gelbem Enzian. Wer öfter nach Albanien reist, hat bestimmt auch bald seine Lieblingssorte.

 Wer auf seiner Reise nicht in den Genuss einer Privatverköstigung gekommen ist, dem bleibt dann vor dem Abflug noch ein Besuch im Kafe Komiteti in Tirana (Rruga Fatmir Haxhiu, hinter der Piramida), dort stehen mindestens 40 Sorten auf der Karte.

Ebenfalls eine große Auswahl an selbstgebranntem Raki verschiedenster Geschmacksrichtungen bietet der Dorfladen in der Fußgängerzone von Tamarë im Vermosh-Tal, auf halben Weg zum Grenzübergang Vermosh nach Plav in Montenegro.


Na dann: „Gëzuar! - Prost!”




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